Algorithmen bestimmen die Welt. Lass dich nicht von Algorithmen bestimmen.

Algorithmen bestimmen unsere Welt.
Lass dich nicht von Algorithmen bestimmen.
Über die Magie von Algorithmen und ihre Entmystifizierung.

1. Algorithmen erleichtern.

Algorithmen sollen hier vereinfacht verstanden werden als Turingmaschine, die für jede lösbare Eingabe zu einem Ende gelangt. Im Sinne eines weniger formal mathematischen Zugangs zielgruppenspezifischer formuliert: “Ein Algorithmus ist ein automatisiertes Verfahren, welches einen Input zu einem Output verarbeitet.” (z.B. Barth, Armin. Algorithmik für Einsteiger 2013, S.8). Dies ist nun zunächst eine sehr allgemeine Aussage. Barths Definition des Algorithmus unterscheidet Regeln, die für die Sicht auf den gesamten Algorithmus gelten und beschreibt “Anweisungen”(Teilschritte eines Algorithmus).

Die Erkenntnis, dass Algorithmen erleichtern, sollte m.E. auf die Reflexion der Einhaltung der Regeln und “Anweisungen” zurückgeführt werden:
Regeln: “Diese Verarbeitung geschieht in endlich vielen Schritten [Kommentar TL: auch Anweisungen genannt], von denen jeder in endlicher Zeit zu einem Abschluss kommt”(Barth 2013 S.8).

Zunächst scheint dies einschränkend zu sein. Die Bedeutung dieser Einschränkung reflektierend findet man sich in der Eingangsdefinition wieder: Ein Algorithmus (zu einem lösbaren Problem) kommt zu einem Ende. Wenn man sich nun darauf einlässt: Die Bedeutung dieser Einschränkung weiterdenkend erkennt man: Algorithmen führen zu einem Ergebnis, wenn man die für die Bearbeitung benötigte Zeit erübrigen möchte. Bei der Beurteilung von Algorithmen nach deren Nutzen und der Einschätzung von deren Laufzeit verschmelzen die Bereiche Mathematik und Informatik untrennbar. Selbst empirische Simulationen von Algorithmusabläufen werden durch mathematische Beurteilung bewertet. Mathematisch verifizierte Algorithmen durch einen Computer vornehmen zu lassen, erleichtert die Arbeit. Das sollte jeder Schüler durchaus auch so erleben.

Ist ein passender Algorithmus gefunden, der einen Input bestimmter Art zu einem Output gewünschter Art überführt, so ist die konkrete Durchführung dann auch im Sinne einer Black Box akzeptierbar. Das Programm wird zum nützlichen digitalen Werkzeug (z.B. mathematisch, oder auch außermathematisch). Im Sinne eines digitalen Werkzeugs (siehe AKMdW unten) erhält es dann wiederum innermathematische Bedeutung.

 2. Die Mystik komplexer Algorithmen

Komplexe Algorithmen entwickeln eine Eigendynamik, die undurchschaubar scheint. Das Gefühl des „aus der Hand geben“ und „ausgeliefert sein“ schleicht sich beim Benutzer ein. Unser von digitalen Elementen durchzogene Alltag wird von Algorithmen begleitet, deren Input, Nutzen und Wirkweise selbst für einen mündigen Bürger nicht oder nur teilweise nachvollziehbar ist. Der Benutzer setzt komplexe Algorithmen ein, in der Hoffnung, die von ihm gewünschte Zielsetzung zu erreichen. Wie der Algorithmus den Weg zu einem Ergebnis gefunden hat, ist für den Nutzer gar nicht mehr ein“seh“bar. Dies bezieht sich insbesondere auf die Einsehbarkeit eines Quellcodes und Inputs(open vs. closed source) und die für den menschlichen Benutzer lesbare Einsehbarkeit der Schritte, die schließlich zu einem Output geführt haben.

Dennoch wollen wir alle auch solch komplexe Algorithmen nutzen, denn auch oder gerade sie versprechen uns Erleichterung im Alltag.

3. Entmystifizierung

Zur Erlangung einer gewissen digitalen Mündigkeit ist es daher unerlässlich, Schüler im mathematischen Themenbereich Algorithmus zu sensibilisieren.

3a Das Wort “Algorithmus” entmystifizieren

Algorithmus, bezugnehmend auf „1. Algorithmen erleichtern“, sollte kein Wort sein, welches man nur im medialen Kontext von „2. Die Mystik komplexer Algorithmen“ hört und verwendet. Es muss beim Schüler das Verständnis geweckt werden, dass es sich beim “mathematischen Algorithmus der Schulmathematik” und dem “weltbestimmenden mysteriösen Algorithmus von Konzernen” um keine getrennten Welten handelt. Der Lernende soll, um digital mündiger Bürger zu werden, erkennen, dass die Algorithmen in 2. prinzipiell denselben Regeln wie 1. folgen. Und, dass man deshalb auch sehr ähnliche Anforderungen und Qualitätsansprüche auch an komplexe Algorithmen stellen kann und stellen sollte.

3b Den Output von komplexen Algorithmen entmystifizieren

Ist eine der beiden genannten Facetten aus „2. Die Mystik komplexer Algorithmen“ nicht mehr ein“seh“bar, sollte der Ausdruck der digitalen Mündigkeit des Bürgers mehrere Handlungsalternativen hervorbringen:
-Die grundsätzliche Ablehnung der Verwendung des nicht-einsehbaren Algorithmus (und als Folge ggf. die gesellschaftlich getragene Entwicklung eines einsehbaren Algorithmus)
-Die Verwendung des Algorithmus unter der Bedingung einer Wiederherstellung der Einsehbarkeit.
-Mit der Verwendung von Künstlicher Intelligenz ist das Problem hinzugekommen, dass einige Elemente tatsächlich nicht mehr einsehbar sind. Daher sollte für die Verwendung von KI gelten:
Die Verwendung des Algorithmus unter Vorbehalt: d.h. die Forderung der Offenlegung der noch theoretisch einsehbaren Elemente und die Durchführung von empirischen Untersuchungen an den theoretisch nicht einsehbaren Elementen.
Dies kann sich beispielsweise in der Forderung der Offenlegung des Inputs und der empirischen Untersuchung gesellschaftlicher Benachteiligungen durch Algorithmen äußern.

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Über diesen Text

Dieser Text zur „Rolle von Algorithmen im Mathematikunterricht in einer Bildung, die digital mündige Bürger hervorbringen soll“ wurde anlässlich einer Diskussion im „Symposium zur Digitalisierung“ der GDM 2021 von Dr. Tim Lutz (Vita , Aktuelle Arbeit) verfasst. Der Autor ist seit 2020 Mitglied der gemeinsamen Ethikkommission der PH Heidelberg und der SRH Hochschule Heidelberg. Der Text wird anlässlich des Newsletters im Projekt MoSAiK (Webseite) über diese Seite öffentlich zur Verfügung gestellt.

Die Zitate sind entnommen:
Barth, Armin. Algorithmik für Einsteiger (2013). https://link.springer.com/book/10.1007%2F978-3-658-02282-2

AKMdW ist die Abkürzung für den Arbeitskreis „Mathematikunterricht und digitale Werkzeuge“: https://madipedia.de/wiki/Arbeitskreis_Mathematikunterricht_und_Digitale_Werkzeuge

GDM ist die Abkürzung für die Gesellschaft für Didaktik der Mathematik: https://didaktik-der-mathematik.de/